Grauer Himmel, Temperaturen unter 10° C, Nebel, Regen, kalter Wind… all das erwartet uns wieder in wenigen Wochen: der Herbst steht vor der Tür. Dieser bringt uns zwar für einen kurzen Zeitraum wunderbar bunt gefärbte Bäume, vor allem jedoch: Scheiß-Wetter!
Aber bedeutet Naturfotografie wirklich nur, sich immer das schöne Wetter herauszupicken… oder sollte man sich, seinen fotografischen Blick und dadurch auch die Fotos nicht vielmehr den Gegebenheiten anpassen und das Beste daraus machen?

Ja, auch ich fotografiere am liebsten bei schönem Wetter. Es ist angenehmer, man hat schönes Licht, wird nicht nass, der Wind fährt einem nicht sonstwohin und man fährt auf trockenen Strassen hin/zurück. Schlechtes Wetter ist für mich seit jeher ein Signal: „Bleib daheim, bearbeite ein paar Bilder!“. Kameras sehen die Welt jedoch mit anderen Augen als Menschen, sie zeichnen das Bild nüchtern auf und konfrontieren uns im Nachhinein mit unserer eigenen Engstirnigkeit (und das nicht nur bei der Wahl des Wetters). Schlechtes Wetter ist eine Chance, Aufnahmen zu machen, die bei prallem Sonnenschein nicht möglich wären.

Wir Fotografen sind manchmal schon ein sonderbares Völkchen, das halbe Jahr über arbeiten wir gegen einen überbelichteten Himmel und einen unterbelichteten Vordergrund – sei es mit Pol- und Verlauffiltern, Mehrfachbelichtungen oder in Photoshop. Ist der Himmel dann aber mal stark bewölkt, verschmähen wir ihn, weil er zu grau ist. Mal abgesehen davon, dass das bei Schwarzweissaufnahmen egal ist, kann man im Bild auch in anderen Abschnitten für Farbtupfer sorgen, als immer nur am Himmel.

Durch die gleichmäßige Ausleuchtung bei bewölktem Himmel hat man im Allgemeinen keine Probleme mit dem Schattenwurf. Sonne im Rücken heisst oft zwangsläufig: Schatten des Fotografen im Bild. Gegenlichtaufnahmen hingegen bedeuten oft, dass die Motive im Schatten absaufen. Was für uns auf den ersten Blick nach „grau in grau“ aussieht, ist meistens lediglich das Wetter, das aufs Gemüt abfärbt. Grüne Wiesen und Bäume bleiben auch bei schlechtem Wetter grün. Und gerade dieses Grün kann auf einem Bild lebendiger wirken, als an jedem Tag im Sommer.

Mit einem Polfilter zu arbeiten lohnt sich auch bei schlechtem Wetter – hier aber nicht, um den Himmel quietschblau zu machen, sondern um die durch das Wasser verursachten Spiegelungen auf Motiven abzuschwächen.

Das sind die idealen Voraussetzungen, um einen Bach/Fluss/Wasserfall zu fotografieren, oder in den Wald zu gehen. Wenn noch etwas Wind dazukommt, der während der Belichtung Gräser/Büsche/Bäume in Bewegung bringt – warum nicht? Fertig ist die Traumwelt!

Nebel kann man einsetzen, um das Bild zu gliedern, es plastischer zu gestalten oder etwas bewußt im Ungewissen zu lassen.

Das ist keine Einladung, seine Kamera _jedem_ Wetter auszusetzen. Regen und Gegenwind bedeuten in Kombination meistens eine nasse Frontlinse. Regentropfen, die in die Elektronik tropfen, können auch erhebliche Schäden anrichten. Was eure Kamera aushält, müsst ihr selbst beurteilen!

Alles in allem sollte man es so sehen: auch konstant schlechtes Wetter ist immerhin konstantes Wetter. Das klassische Herbstwetter beglückt uns nicht nur mit Regen, Wind, schlechter Sicht, rutschigen Strassen und sinkenden Temperaturen, sondern auch mit einem vergleichsweise dunklen Himmel, gleichmäßiger Ausleuchtung und einer Natur in Bewegung. Probiert es einfach mal aus, nichts wie raus in das (bestimmt kommende) Sauwetter!