Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Insbesondere, wenn er in größerer Zahl reiselustigen Chinesen begegnet.

Es war einmal im Jahre 2017, im ehemals beschaulichen Kanada. Meine damalige Verlobte – jetzt Frau Gemahlin – und meiner einer machten Nordamerika unsicher. Zuerst New York, das sie mir zeigen wollte, im Anschluss Kanadas Westen, den ich ihr zeigen wollte (und dort endlich mal selbst ein bisschen Zeit zum fotografieren haben wollte, aber das ist eine andere Geschichte).

New York war eben New York. Intensiv, laut, vielfältig, schnell, eng, hoch… und ja, auch nicht ganz billig. Im Artikel soll es eigentlich um den kanadischen Teil der Reise gehen, aber ein Abend auf dem Rockefeller Center sollte andeuten, was in Kanada an jeder Ecke in großer Zahl und mit kleinen Manieren auf uns wartete: Chinesische Touristen. Um genau zu sein: drängelnde und ziemlich rücksichtslose chinesische Touristen. Hatten sich viele (nicht alle!) davon einen Lieblingsplatz ausgesucht, so blieb zur Erlangung des selbigen nichts unversucht.

Es wurde gedrängelt, da wurden Ellenbogen gezielt in Rippen gestoßen; half das nichts, wurden zufällig Getränke auf Personen verschüttet oder gezielt mitten ins Gesicht des nicht vom Wunschplatz Weichenden geniest. Echte Prachtexemplare. Gut, Du denkst Dir: Ist ein Abend mit schönem Wetter, und soooo viel Platz ist auf dem Rock ja nun auch nicht, da gehts halt mal eng zu. In Kanada wartet dann die Weite, und die Irren konzentrieren sich vielleicht auf ein paar wenige Hotspots wie den Lake Louise.

DENKSTE. Das war eine regelrechte Invasion. Und egal, wo man war. Egal, zu welcher Uhrzeit (hierzu später mehr). Sie kamen zahlreich und sie ließen ihr gutes Benehmen zuhause. Mehr als einmal habe ich mich gefragt: was ist denn so schlimm daran, die Stative NEBENEINANDER aufzustellen… MUSS man denn jedesmal einen Meter vor den springen, der schon samt Stativ dasteht?! Ich rege mich schon lange nicht mehr über die Kandidaten auf, die einem ins Display schauen und direkt daneben den gleichen Bildaufbau machen. Irgendwie kopiert ja eh jeder von jedem, ob bewusst oder unbewusst. Ich bin Hobbyfotograf und verdiene damit kein Geld, soll doch der neben mir auch was mit nach Hause bringen, aber dieses rücksichtslose und destruktive Verhalten, das mit den Reisenden aus dem Reich der Mitte Einzug gehalten hat, kann einem die Freude schon mal kurzzeitig trüben.

Seinen Höhepunkt hatte das Ganze allerdings in einer Nacht mit vorhergesagter Polarlicht-Aktivität gefunden. Schon am Morgen meldeten diverse Apps minimale Chancen auf Polarlichtaktivität. Zu minimal, um die künftige Ehegattin deshalb zu erwecken (war so abgesprochen), aber zu hoch, um diese Chance auszulassen. Kurzerhand in den Mietwagen gesprungen, ein paar Kilometer zum Pyramid Lake gefahren, schnell einen Parkplatz gesucht und schon den mysteriösen grünlichen Schleier am Himmel tanzen gesehen. Am Ufer war ein junges Paar mit Stativ, am Steg ein Angler – kurz nachgefragt, ob ich mich in der Nähe aufstellen darf, gepaart mit dem Versprechen, nur kurz eine Rotlicht-Lampe zum Einsatz zu bringen, woraufhin ich freundlich herbei gewunken wurde. Zur Erklärung: Je dunkler die Umgebung, desto unangenehmer ist für alle Anwesenden, den Nutzer eingeschlossen, eine helle und vor allem weiße Lichtquelle – die Pupillen ziehen sich zusammen und gerade bei Polarlicht ist man für kurze Zeit nahezu blind für das Spektakel. Ausserdem ruiniert man schnell eine laufende Langzeitbelichtung. Die Polarlichtaktivität war überschaubar, dennoch war die Freude bei uns vier Nachtschwärmern groß… wenn auch von kurzer Dauer.

Denn dann kam DER BUS, gefüllt mit einer geführten Fototour. Morgens um vier Uhr. Klar, Polarlicht ist eine Attraktion – ich kann und werde dem Guide nicht verübeln, dass er seinen Gästen, die richtig, RICHTIG viel Geld für diese Tour zahlen durften (habe später mal auf seine Website geschaut… HOLLA DIE WALDFEE! 11 Nächte, 5.000-6.300 Dollar) diesen Leckerbissen anbietet. Polarlichter sieht so Mancher kein- bis einmal in seinem Leben. Dass er die Meute genau an den Platz schickte, an dem schon Leute standen, das war hingegen nicht die feine Art, am Ufer wäre ausreichend Platz gewesen. Denn mit ihnen kamen gut zehn Taschen- und Stirnlampen der Kategorie „Flakscheinwerfer“. Und natürlich auch wieder zwei bis drei „Auserwählte“mit imaginärem Ticket für die erste Reihe… die sich vordrängelten. Ich hatte noch Hoffnungen, mit gutem Zureden meine Timelapse retten zu können, aber Rücksichtslosigkeit hat im Regelfall schlechte Ohren. Also das Weite gesucht, kurz darauf ein schönes Plätzchen für den Sonnenaufgang gefunden, das auch für den Abend vielversprechend war.

Nach einem opulenten Abendessen zusammen mit der besten Verlobten des Planeten wieder gen Pyramid Lake gefahren und auf der morgens ausgesuchten kleinen Landzunge postiert. Gut gelegen, sehr unbequem dort länger zu stehen – perfekt! Trotzdem verirrte sich, angelockt durch mein aufgebautes Stativ, ein Drängel-Chinese, dem ich nach kurzer und sehr deutlicher Ansprache diesmal nicht das Feld räumte. Es gesellte sich noch ein Fotograf aus Washington (aus dem Bundesstaat Washington, nicht der Stadt, in der die wütende Orange wohnt) zu uns, womit diese Landzunge faktisch voll war.

Je dunkler es wurde, desto mehr füllte sich aber die ca. 50 Meter entfernte Holzbrücke mit Fotografen vieler Nationen, aber nach kurzer Zeit war sie fest in chinesischer Hand. Es wurde viel gestritten, und damit auch jeder verstand, worum es ging, ermahnte man sich gegenseitig, doch bitte in Englisch zu streiten. Wenn nicht geschubst wurde, ging es in erster Linie um: LIGHTS! Ja, es ging vielen ein Licht auf an jenem Abend…

  • LIGHTS! Wenn eine Taschen-/Stirnlampe eingeschaltet wurde
  • LIGHTS! Sobald ein Kameradisplay anging
  • LIGHTS! Bei aufflackernden Smartphones… und mein Favorit:
  • LIGHTS! Für am See vorbeifahrende Autos.

Uns so ging das mehrmals pro Minute, zwischenzeitlich unterbrochen von einem „ENGLISH!“. Und der Ton wurde mit fortschreitender Stunde und steigender Polarlichtaktivität nicht freundlicher. Ja, diesen Abend konnte man getrost zusammenfassen in: LIGHTS! CAMERA! ACTION!

Nach nicht ganz zwei Stunden hatten wir dann doch die Flucht ergriffen. Gabi fragte, ob wir noch ein „LIGHTS!“ als Zugabe wollten, welches ihr die inzwischen locker über fünfzig Chinesen nur allzu gerne von der Brücke aus zubrüllte… nachdem sie mit ihrer Kompaktkamera ein Foto mit Blitz abgefeuert hatte. Am dreckigsten hatte übrigens unser drängelnder Nachbar aus Fernost darüber gelacht.

Der freundliche Fotograf aus Washington, Zach Nichols, meinte, er kenne einen etwas ruhigeren Spot auf dem Weg zu seinem Campingplatz, nannte mir die Koordinaten, bei denen ich ihn aufsuchte, nachdem ich meine äußerst geduldige, aber auch ermüdete Verlobte wunschgemäß im Hotel abgeliefert hatte… und an dem genannten Ort ging das Himmelsfeuerwerk, ganz frei von drängelnden, streitenden und beleuchtenden Fotografen, erst richtig los.

Wären chinesische Touristen so gesittet wie z. B. ihre Nachbarn aus Japan… dann wäre ich ich um eine Geschichte und einen Abend mit rückblickend reichlich Unterhaltungswert ärmer… aber was will ich Euch mit diesem Beitrag mitteilen? So sehr es sich nach bloßem Chinesen-Bashing anhört… Vollpfosten können viele Nationalitäten haben, ebenso wie nette und höfliche Menschen. Die Chinesen stechen lediglich aufgrund ihrer hohen und noch weiter steigenden Besucherzahlen heraus. Nehmt Rücksicht aufeinander, im Normalfall ist wirklich genug Platz für alle da. Redet miteinander, Ihr seid ja unter Gleichgesinnten. Und ich kann euch versichern: eine auslösende Kamera mag einen Moment festhalten – das Motiv frisst sie einem anderen nicht weg.