Jede Digitalkamera, die heute 15 Jahre jung ist, kann man zurecht als veraltet und für fast jeden Zweck unbrauchbar bezeichnen. Aber gilt das auch für Objektive, die 30, 40 oder mehr Jahre auf dem Buckel haben? Oder profitiert man gerade mit diesen Optiken von der Technik, die in modernen Kameragehäusen (nicht) steckt?

Als es noch keine digitalen Spiegelreflexkameras gab wusste jeder, dass die (zumindest technische) Qualität im Wesentlichen von der Optik abhängig ist. Dies gilt natürlich auch heute noch, ist jedoch im Bewusstsein der meisten Neueinsteiger nicht mehr so präsent, da das Marketing der Hersteller hauptsächlich auf das Gehäuse abzielt. Und auf den Verkauf der Nachfolger dieses Gehäuses. Und dessen Nachfolger. Am deutlichsten wird das, wenn man einen Blick auf einschlägige Foren wirft – dort lautet wohl die häufigste Frage „welche Kamera soll ich kaufen?“. Richtig formuliert, würde die primäre Frage wohl eher „hinter welche Optiken soll ich welche Kamera schrauben?“ lauten.

Zuerst will ich mit einem Missverständnis aufräumen: Es gibt keine digitalen Objektive.
Objektive bestehen aus Glas und Metall/Kunststoff, nicht aus Nullen und Einsen.

Einem Objektiv ist es egal, ob sich dahinter ein Film, ein Sensor oder eine Leinwand befindet – es macht einfach seinen Job, es projeziert ein Bild auf eine Fläche. Alles, was im Namen eines Objektivs auf „digital“ hinweist, ist im Grossen und Ganzen eine veränderte Vergütung und/oder ein Marketing-Gag. Viele erfolgreiche Objektive der letzten 10 Jahre wurden als „digitale“ Version neu aufgelegt – mit einem saftigen Preisaufschlag, aber ohne nachweisbar bessere Ergebnisse.


Seit gut 80 Jahren stehen die Namen Leitz/Leica und Zeiss für kompromisslose Abbildungsqualität auf allerhöchstem Niveau. Wollte jemand ein Kleinbildkamerasystem, dessen Ergebnisse auf den ersten Blick kaum vom Mittelformat zu unterscheiden sind, so kam er nicht an diesen beiden Namen vorbei. Deshalb machten Leica und Zeiss in den letzten Jahrzehnten das, was sie wie kein anderer können: herausragende Objektive produzieren. Leider haben beide das Potenzial der Digitalfotografie zu lange unterschätzt, obwohl sie selbst Objektive für Kompaktkameras anderer Hersteller geliefert haben und noch immer liefern (z.B. Zeiss für Sony, Leica für Panasonic). In den 90ern führten digitale Spiegelreflexkameras ein Exotendasein, das Schema war immer das selbe: Kodak baute eine Art Rückteil, das in Profigehäuse von Canon (Eos 1n) und Nikon (F5) integriert… nein, hinten drangequetscht wurde. Die Preise bewegten sich etwa auf dem Level einer Limousine der Mittelklasse. Die Kameras waren schwer und langsam, Speicherplatz war teuer… kurzum: aus wirtschaftlichen Gründen waren sie uninteressant.
Auf der Photokina 2000 stellte Contax die Contax N Digital vor… leider wurde das vielversprechende Gehäuse erst 2003 auf den Markt gebracht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Canon schon die 1Ds vorgestellt, welche fast die doppelte Auflösung der Contax N zu bieten hatte. Contax ist mittlerweile leider Geschichte, ein Schicksal, das Leica auch schon drohte. Die Insolvenz Leicas konnte fürs Erste verhindert werden.

2005 kam schliesslich auch das langersehnte Digitalmodul R (DMR) auf den Markt. Mit knapp 5.000,- € (nur das Modul, ohne Kameragehäuse) war man dabei. Leider kam mit dem DMR auch der Cropfaktor – durch diesen im Vergleich zum Kleinbildfilm kleineren Chip und den damit verbundenen Beschnitt der Ränder wird jede Brennweite um den Faktor 1,37 „verlängert“. Das ist zwar praktisch für diejenigen, die hauptsächlich im Telebereich arbeiten, jedoch ein Ärgernis für Weitwinkel-Fans. Ein 35mm-Objektiv hat dadurch nur noch den Blickwinkel eines 48mm-Objektivs, 28mm wird zu einem 38er. Soweit noch nicht dramatisch, da kann man noch problemlos „von unten auffüllen“. Das heiss geliebte (und nicht gerade billige) 21mm oder 19mm lässt sich hingegen nicht so leicht ersetzen.
Die Tatsache, dass Leica eine Kamera mit Cropfaktor herausgebracht hat ist insofern amüsant, da Leica-Objektive dafür bekannt sind, bis zum Bildrand hin hervorragende Leistung zu bringen. So gesehen verschenkt die Kamera die teuer erkaufte Objektivleistung.

Sucht man nun nach Alternativen, so sollte man zuerst einen kleinen Ausflug in die Theorie machen:

Auflagemass

Unterm Strich bleiben wenige Systeme, die mittels Adapter die meisten Bajonette aufnehmen können: Leica M, Olympus 4/3 und Minolta bzw. Sony und Canon Eos.
Die digitale Leica M hat ebenfalls einen Cropfaktor von 1,3 bekommen, wurde dafür natürlich mit entsprechenden Objektiven ausgestattet, die neu zu kaufen wären.
4/3 dürfte, bedingt durch den Cropfaktor 2x, allenfals für Fotografen interessant sein, die im Supertelebereich arbeiten oder mehr Schärfentiefe bei ihren Makroaufnahmen benötigen.
Im Eos-System wie auch im Sony-System gibt es verschiedene Chipgrössen: Vollformat (enspricht Kleinbild), APS-H (Canon, ca. 1,3x) und APS-C (ca 1,6x bei Canon, ca. 1,5x bei Sony). Besonders das Vollformat bietet sich den Fotografen an, die ihren Objektivpark genau den Bedürfnissen entsprechend zusammengestellt haben. 28mm bleiben 28mm und so weiter…

Zeitreise – die Nachteile

Wer eine Fremdoptik mittels Adapter an eine Kamera schraubt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er fast alle Automatikfunktionen verliert, die die Technik in den letzten 40 Jahren hervorgebracht hat. Sobald an einer Canon-Kamera eine Leica- oder Zeiss-Optik ihr Dasein fristet, spielt es keine Rolle, wie schnell und treffsicher der Autofokus der Kamera ist, denn einen Autofokus gibt es in dieser Optik nicht. Hier ist manuelles Fokussieren angesagt – weshalb die Anschaffung einer Mattscheibe mit Fokussierhilfen (Mikroprismenfeld/Schnittbildinikator) dringend zu empfehlen ist.
Zudem blendet die Kamera das Bild nicht automatisch beim Auslösen ab, das muss man vor der Aufnahme selbst vornehmen.
Überspitzt ausgedrückt – der Alptraum eines jeden, der normalerweise mit dem mittleren Autofokusfeld draufhält und abdrückt.

Ein Ring, sie zu knechten

Adapterringe gibt es viele, und zwar in Preislagen zwischen 20,- und 400,- €. Ich nehme Abstand davon, eine Empfehlung für einzelne Hersteller auszusprechen, weil ich nicht alle kenne… einen guten Namen haben zweifelsohne Hersteller wie Zörkendörfer, Mirex, Novoflex und Cameraquest. Damit kann man nichts verkehrt machen, allerdings verlangen sie allesamt dreistellige Summen pro Adapter.

Hier eine grobe Entscheidungshilfe:

  • Messing ist im Regelfall solider als Alu – es nutzt sich nicht so schnell ab und verbiegt nicht so leicht. Ein verbogener Adapterring ist meistens nicht mehr brauchbar
  • Eine Stoppschraube verhindert das Überdrehen (Überdrehen kann Schäden an der Kamera bzw. am Bajonett verursachen). Hat ein Adapter diese Stoppvorrichtung, so erwähnt sie der Hersteller im Regelfall deutlich sichtbar
  • keine scharfen Kanten, man sollte sich nicht daran schneiden – selbst zum Schleifpapier greifen ist auch nicht empfehlenswert – man könnte evtl. das Auflagemass dadurch verändern.

Man kann auch mit billigeren Adaptern gut fahren – wenn man einen guten Hersteller findet oder Glück hat – ich hatte mir bei einem chinesischen Händler Adapter für Leica R, Contax/Yashica, Nikon und Olympus OM bestellt. Allesamt aus Messing, gut verarbeitet, mit Stoppschraube… in der Summe 115,- € incl. Versand und Zoll. Dafür bekommt man bei den namhaften Herstellern noch nicht mal einen, es stellt sich bei solchen Billigimporten allerdings die Frage, ob man bei jeder Bestellung die gleiche Qualität erhält.

Fazit

Zeiss hat Objektive mit Bajonetten für Canon (ZE) und Nikon (ZF) auf den Markt geworfen. Sie stellen praktisch jedes Pendant der Originalhersteller in den Schatten, die Preise sind allerdings – vorsichtig ausgedrückt – fürstlich, und trotzdem muss man die Objektive z.T. manuell fokussieren. Trotzdem werden sie gekauft, was klarstellt, dass ein Top-Objektiv auch heute keinen Ultraschallmotor oder Bildstabilisator haben muss. Aber muss man für einen aktuellen Bajonettanschluss einen Aufpreis zahlen, wenn ein vergleichbares Objektiv zum Bruchteil des Preises zu haben ist? Vergleichen lohnt sich. Sicher!