Die Experten waren sich einig: Ein Zoomobjektiv im Bereich 24-70 mm mit Lichtstärke 2.8 ist immer wieder eine Herausforderung. Ein Objektiv in diesem Brennweitenbereich mit Bildstabilisator ist machbar. 24-70 mm mit Lichtstärke 2.8 UND Bildstabilisator? Praktisch unmöglich! Bis zu Tamron scheint sich das allerdings nicht herumgesprochen zu haben – die haben es einfach gebaut, ihm zur Strafe aber einen richtig langen Namen mitgegeben.

Man kommt um diesen Brennweitenbereich (Vollformat bzw. 35mm Kleinbild) nicht herum. Hat man sich nicht auf Tierfotografie eingeschossen, so wird man die meisten Bilder seines Fotografenlebens in den Blickwinkeln zwischen 24 mm und 70 mm machen. Da spielt die Musik, alles darüber oder darunter ist Ergänzung. Gerade hier wünscht sich ein Fotograf seitens seiner Technik die bestmögliche Unterstützung: Lichtstärke, Bildstabilisator, schnellen Autofokus, möglichst auch noch gleich eine Motivklingel. Der Spagat zwischen Weitwinkel und Telebrennweite ist allerdings nicht einfach, weshalb lichtstarke Zoomobjektive in diesem Bereich relativ schwierig zu konstruieren sind. Ein Bildstabilisator macht das nicht gerade einfacher, weshalb Canon und Nikon ihren Zoomobjektiven erst ab Lichtstärke (bzw. max. Blendenöffnung) 4 einen spendiert haben.
Wer eine APS- bzw. Crop-Kamera besitzt, kann für einen vergleichbaren Blickwinkel zwischen mehreren Herstellern wählen – im Brennweitenbereich 17-50mm gibt es für eine Canon-Kamera beispielsweise stabilisierte Objektive von Canon, Sigma und Tamron – alle mit Lichtstärke 2.8. Vor ca. einem Jahr hat Tamron hier die Türe auch für Vollformat-Knipser weit aufgestossen: 24-70mm, 2.8, Bildstabilisator. 1.099 Euro UVP zum Erscheinungstermin. Inzwischen beträgt der Strassenpreis ca. 900,- Euro, womit es preislich mit dem gebrauchten Canon 24-70mm L USM der ersten Generation konkurriert und weniger als die Hälfte des 24-70mm L USM II kostet.

Verarbeitung/Handling: Viel Kunststoff, allerdings ohne billig oder zerbrechlich zu wirken. Da wackelt oder klappert nichts. Im Gegenteil: mit diesem Objektiv hat man richtig was in der Hand… und das Gefühl, notfalls einen Nagel damit in die Wand schlagen zu können. Lt. Herstellerangaben ist das Objektiv staub- und wetterfest, am Bajonett findet sich eine Gummidichtung. Fokus- und Zoomring sind meiner Meinung nach nicht besonders gelungen. Der Fokusring befindet sich hinter dem Zoomring, bei den meisten Objektiven ist die Reihenfolge genau andersrum. Beim Fokus vergreift man sich zudem schnell mal, weil der Ring im Vergleich zum Zoomring fast schon winzig ausgefallen ist. Schön: keiner der beiden Ringe hat Spiel. Der Zoomring läuft allerdings nicht ganz flüssig von 24 bis 70mm durch, nach der Hälfte geht es etwas schwerer. Am kürzesten ist das Objektiv bei 24mm (lässt sich auch per Zoom-Lock in dieser Position verriegeln), bei 70mm fährt der Tubus zur vollen Länge aus. Canon hatte das beim ersten 24-70 L USM genau umgekehrt gelöst, was ein cleveres Handling mit der Streulichtblende ermöglicht hat: für jede Brennweite eine nahezu perfekte Abschattung. Bei Tamron hatte man in Sachen Streulichtblende etwas weniger mitgedacht, sie ist schwer aufzusetzen, rastet schwer ein und ist im Grunde genommen nur für 24mm gerechnet.

Was für einige Fotografen eine zusätzliche Investition nach sich ziehen wird, ist der Filterdurchmesser. Nicht jeder hat schon 82mm-Filter in der Fototasche, aber 82mm ist scheinbar das neue 77mm. Bis vor kurzem war man im Segment der hochwertigen Zoomobjektive mit einem 77mm-Filter bestens bedient. Im Hause Canon passten 77mm-Filter für einen grpßen Teil der L-Objektive: 2.8/16-35mm, 4/17-40mm, 4/24-105mm, 2.8/24-70mm, 2.8/70-200mm, 3.5-5.6/100-400mm, 4/300mm, 5.6/400mm, 3.5-5.6/28-300mm. Ähnlich verhält es sich bei Nikon in den vergleichbaren Brennweiten. Mit neuen Modellgenerationen führt Canon inzwischen zusehends 82mm-Filtergewinde ein, so geschehen beim 2.8/24-70mm L II und dem 2.8/16-35mm L II. Tamron mit dem 24-70 jetzt auch. Eine zusätzliche Filtergrösse kostet Geld, braucht Platz in der Fototasche und wiegt auch ein paar Gramm zusätzlich.

Der Autofokus (USD) ist schnell und treffsicher. Dass es nicht mehr darüber zu sagen gibt, sagt eigentlich alles.

Kommen wir zu den inneren Werten, denn man sieht keinem Foto dieser Welt an, ob das Objektiv aus Kunststoff oder Metall ist, welchen Filterdurchmesser es hat oder ob es gut in der Hand liegt. Wie ist es um die optischen Qualitäten bestellt? Bei Offenblende vignettiert es ordentlich bei sämtlichen Brennweiten, bei Blende 4 ist eine Vingettierung noch sichtbar, ab 5.6 praktisch nicht mehr relevant, alles in allem nichts ungewöhnliches für ein Zoomobjektiv am Vollformat. Die Verzeichnung bei 24mm ist recht heftig (Photozone hat’s mittels Testchart gemessen: 3,8 %) und nicht sauber tonnenförmig – das manuell zu korrigieren ist eine Arbeit für jemanden, der Mutter und Vater erschlagen hat. Lieber PTLens oder Lightroom (ab Version 4) verwenden, dort sind gute Profile für eine automatische Korrektur hinterlegt. Chromatische Aberrationen sind praktisch nicht vorhanden. Die Blende schließt fast kreisrund, so dass sich ein ruhiger Hintergrund gestalten lässt. Bei Spitzlichtern im Hintergrund sind gelegentlich konzentrische Kreise wie bei einer Zwiebel zu sehen… in der 100 %-Ansicht.

Die Schärfe ist in der Bildmitte bei sämtlichen Blenden und Brennweiten ausgezeichnet und hat alles, was ich mir von dem Objektiv erwartet hatte, übertroffen. Am Rand ist Abblenden angesagt, aber ab Blende 5.6 ist auch hier alles knackscharf.

Nun aber zum eigentlichen Alleinstellungsmerkmal des Objektivs: Der Bildstabilisator (VC). Tamron gibt an, dass der Fotograf mit dem VC vier Blendenstufen bei der Belichtung gewinnt. Und in diesem Fall ist das kein Marketinggeschwätz, das haut hin. Ob es in der Praxis nun drei oder vier Blendenstufen sind, ist von Fotograf zu Fotograf unterschiedlich. Auf den ersten Eindruck nagelt der VC das Bild regelrecht im Sucher fest. Ich habe mal meine Freihand-Ausbeute des letzten Jahres gecheckt – bei 1/30 Sek. kaum verwackelte Bilder, bei 1/8 Sek. nur ca. die Hälfte der Bilder verwackelt, bei 0,4 Sek. noch ca. 20 % ordentlich brauchbare Bilder (nicht gleichzusetzen mit knackscharf) – das ist fast eine halbe Sekunde, liebe Leute! Auf dem Stativ sollte man ihn deaktivieren, der Schuss wird sonst nach hinten losgehen.

Fazit: Das Tamron SP 24-70 mm f2.8 Di VC USD ist eine Optik ohne echte Konkurrenz – Blende 2.8 UND Bildstabilisator sind in diesem Bereich ein Alleinstellungsmerkmal, weshalb ich ohne vorliegende Tests direkt zum Erscheinungstermin zugeschlagen hatte. Ein Kauf, den ich zu keinem Zeitpunkt bereut habe! Sicherlich schlägt es ein ordentliches Loch in den Geldbeutel, aber da es für viele Fotografen praktisch der Kameradeckel wäre, geht das in Ordnung.