Auf der Jagd nach dem schärfsten Objektiv vergisst so mancher Fotograf schonmal sein eigentliches Hobby – das Fotografieren. Was der nächste Meilenstein für die Qualität der eigenen Fotos sein sollte, wird oft zur Sisyphos-Aufgabe: Lesen, kaufen, testen, lesen, verkaufen, kaufen, testen… usw. Schnell legt man sich so selbst Steine in den Weg, die man besser fotografieren sollte – vorausgesetzt es sind schöne Steine.

  • Testen ≠ fotografieren
    Ein gutes Foto ist selten aussagekräftig für die tatsächliche Abbildungsqualität eines Objektivs. Bildfeldwölbung und Randschärfe lassen sich z.B. praktisch nur bei einigermaßen offener Blende und flachem Motiv zuverlässig testen – im Regelfall müssen Backsteinmauern herhalten. Bestandsaufnahme: das eigene Portfolio sollte idealerweise zu weniger als 1 % aus Backsteinmauern und Testcharts bestehen, falls man nicht davon lebt (also Rohbauten fotografiert oder zum Beispiel eine Seite wie photozone.de betreibt – viele Grüße und vielen Dank für die geniale Seite an Klaus Schroiff!)
  • doppelter Preis für 5 % mehr Leistung
    Ich bemühe hier gern den Ferrari-Vergleich. 400 PS klingen besser als 100, aber in der Praxis nützen theoretisch mögliche 300 km/h im Stau wenig. Klar, preisgünstige Objektive machen bei Offenblende manchmal nicht die beste Figur… aber Hand aufs Herz: wer fotografiert wirklich regelmäßig mit Offenblende und zählt dann die Pixel? Beim nächsten Fotostammtisch macht man sich mit einem guten Bild stets mehr Freunde als mit teurer Ausrüstung.
  • Wofür das alles?
    Auf flickr & Co. sehen die Ergebnisse eines Objektivs für 200 € genauso aus wie die einer 2.000-Euro-Optik. Und erstrecht die Ergebnisse einer 500-Euro-Kamera im Vergleich zu einer für 5.000 Euro. Kein Witz. Wenn ein Bild erstmal mit 2.000 Pixel Kantenlänge unscharf aussieht, ist nicht die Optik schuld, sondern der Fotograf.
  • Motivscouting statt Equipment-Recherche
    Beides ist sehr zeitintensiv. Eines davon führt zu guten Bildern, das andere zu einem falschen Eindruck und einem leeren Geldbeutel. Die Recherche nach neuer Ausrüstung kann trügerisch sein. Private Tests sind oft nicht mehr als ein in die Welt geschrienes „Schaut mal, was ich mir grad gekauft habt“, Unboxing-Video oder -Fotostrecke inklusive. Seriöse Tests, also Tests unter Laborbedingungen, stützen sich auf nüchterne Zahlen. Und die haben wiederum mit der Praxis bestenfalls Berührungspunkte. Motivscouting kann frustrierend sein, aber unterm Strich tut es dem eigenen Portfolio besser.
  • Übung ist das beste Upgrade für die Fotoausrüstung.
    Wenn die Fotos nix werden, Ausrüstung aufrüsten? Been there, done that. Ich will an dieser Stelle nicht verheimlichen, dass ich – zumindest unterbewusst – auch ein paar Jahre auf diesem Irrweg unterwegs war. Der Gedanke „was wäre mit Objektiv X oder Kamera Y drin gewesen?!“ dürfte jedem Fotografen  in den Sinn gekommen sein. Wenn man mal über einen gewissen Zeitraum mit der selben Ausrüstung gearbeitet hat, gewöhnt man sich daran. Sie wird vom Gadget zum Werkzeug. Ich sage immer: eine gute Ausrüstung ist Sklave meines fotografischen Willens. Und das meine ich bei weitem nicht so scherzhaft, wie es sich anhört.

Je voller der Fotorucksack, desto leerer ist in der Regel der Geldbeutel. Und desto näher rückt man einem Bandscheibenvorfall. Außerdem ist es nicht zwangsläufig gut, bei jedem Bild die Ausrüstung zu wechseln.

Ich kann allen Hobbyfotografen empfehlen, mal ganz nüchtern einen Blick über die Ausbeute der letzten Jahre zu werfen und sich die Frage zu stellen: Sind die Fotos wirklich nach einem Stühlerücken der Ausrüstung besser geworden oder doch nur durch Erfahrung?